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NASUM

RELAPSE Records

NASUM
Interview 2001 - geführt von Karim mit Bassist Jesper Liveröd

NASUM, was fällt einem dazu ein? Zuerst einmal, dass es ein reichlich dämlicher Name ist, der eher an ein Mittel gegen Schnupfen als an eine verdammt gute Grind-Band erinnert. Außerdem fallen mir zwei gute Gründe ein, ein Interview mit NASUM zu machen ... erstens weil ich es zur "Inhale/Exhale" verpennt habe und zweitens weil jetzt mit "Human 2.0" ein noch schlagenderes Argument auf dem Markt ist. Desweiteren war "Human 2.0" seit langem mal wieder ein Album, dass mich vom Stuhl gerissen und schon beim ersten Ton klargemacht hat, dass dies ein Interview-Thema ist. Außerdem muß ich mich hier gar nicht dafür rechtfertigen, dass ich ein Interview mache ... und wenn es eins mit Dr. Alban oder TicTacToe gewesen wäre, ihr Parasiten!

Spaß beiseite ... das Opfer für meine Fragen-Attacke war nicht wie erwartet Sänger/Gitarrist Mieszko sondern völlig unerwarteterweise der relativ frische Bass-Neuzugang Jesper Liveröd und dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll beweist auch dieses Interview mal wieder, denn es ist alles andere als uninformativ oder gar uninteressant geworden und das obwohl am Anfang erst mal wieder die Diskussion stand, was der bescheuerte Name "Laermbelaestigung" denn nun bedeutet ... Leider konnte ich nicht herausbekommen, was das schwedische Wort für Lärmbelästigung ist (klingt bestimmt noch perverser als es das schon in Deutsch tut!). Das erste was ich dann erst mal fragen musste, ist wo Jesper überhaupt plötzlich herkommt, denn lustigerweise hat man ihn in der Biographie einfach mal außen vor gelassen, wofür bei der Relapse-Promotion wohl Köpfe rollen müssen ...

Ich kenne unseren Drummer Anders schon ein paar Jahre. Er hat auch ein Fanzine gemacht, worüber ich ihn kennengelernt habe und da wir sehr ähnliche Musik mochten ist der Kontakt dann auch bestehen geblieben und wir haben regelmäßig telefoniert und uns getroffen. Mit der Zeit wuchs offenbar die Nachfrage nach NASUM auch live und es kamen viele Angebote für Touren und Einzelgigs. Anders wusste, dass ich ein grosser Fan der Band bin und fragte mich zuerst für die US-Tour, ob ich den Bass übernehmen würde. Alles lief toll und jetzt ist es zu einer festen Angelegenheit geworden und NASUM werden auch in Zukunft öfter live zu sehen sein.
Vor NASUM habe ich in diversen Underground-Bands gespielt. Eine davon war BURST, die man aber außerhalb von Schweden nicht kennt. Musikalisch machen wir eine Mischung aus älteren NEUROSIS mit verschiedenen extremen Einflüssen.

Das neue NASUM-Album hat ja auch neben den altbekannten Grind/Death/Hardcore-Elementen neue Einflüsse, die "Human 2.0" für mich wesentlich abwechslungsreicher und interessanter machen. Hattest du eventuell schon einen Einfluss auf das Songwriting für das neue Album?

Nein, ich habe eigentlich nichts an den Songs beigesteuert, da das meiste schon fertig war, als ich in die Band kam und auch relativ weit entfernt von den anderen wohnte. Ich hatte zwar schon einiges Material, aber auf "Human 2.0" hatte ich höchstens dadurch einen Einfluss, dass ich Anders und Mieszko an andere Bands geführt habe, so wie sie mich aus. Da tauscht man sich ja automatisch durch aus. Auf dem nächsten Album werde ich aber auch Songs beisteuern, die zwar NASUM sein werden aber auch andere Einflüsse einbringen. Wir sind alle drei verschiedene Personen und jeder wird seinen Part einbringen.

Was ja nicht unbedingt normal ist, da Bassisten ja oft eher die musikalischen Sklaven sind, die das spielen, was die großen Gitarren-Gehirne sich ausgedacht haben, zumal Anders und Mieszko sich ja nun bestimmt auch inzwischen sehr aufeinander eingespielt haben ...

Das ist schon wahr, dass die Bassisten meist eher am Rand beteiligt sind und ich weiß selbst nicht mehr, warum ich Bassist geworden bin. Ich habe am Anfang auch Schlagzeug und Gitarre gespielt, irgendwann war ich dann der Bassist. Trotzdem war ich in meinen alten Bands immer jemand, der einen Großteil des Songwritings übernommen hat. Es ist also ungewöhnlich in einer Band zu sein, wo ich an den Songs nicht mitgewirkt habe, aber das wird sich angleichen, jetzt wo ich nicht mehr nur noch für Live-Shows in der Band bin.

NASUM scheint ja auch eine Band zu sein, wo Anders sein Zeug macht und Mieszko seins, denn sowohl musikalisch wie textlich sind die Sachen ja nach den Credits zu schließen Outputs des einzelnen, oder?

Es ist wirklich so, dass jeder sein Zeug zu Hause macht und es dann im Proberaum geprobt wird. In meinen anderen Bands sind die Songs immer im Proberaum entstanden, da waren zwar Ideen von einzelnen Leuten, aber der Song an sich hat sich im Proberaum entwickelt. Bei NASUM legt eine Person fest, wie der Songablauf, der Text und der Gesang sind. Die Idee dahinter ist einfach, dass derjenige der den Text schreibt auch besseren Bezug dazu hat, wie dieser gesungen werden soll. Das ist für mich völlig neu.

Obwohl vielleicht ja gerade das die Durchschlagskraft der Musik ausmacht, denn für mich ist NASUM definitiv Bauchmusik und keine Kopfmusik. Da passt die Herangehensweise ja auch besser, um einen Gedanken oder ein Gefühl akustisch umzusetzen.

Das ist wahr. Am besten sind Songs, bei denen die Musik und der Text einen Eindruck vermitteln und das liegt so eben bei jedem selbst. Wir nehmen bald Material für eine neue 7" auf und ich habe auch schon Songs beigesteuert, die ich so geschrieben habe. Es ist anders, aber man gewöhnt sich dran. Es kommt aber auch schon öfter im Proberaum vor, dass man Vorschläge bei den Songs des anderen macht und andere Varianten ausprobiert. Wir werden uns da also wohl angleichen.

Du hast ja schon erwähnt, dass du ursprünglich für die US-Tour in die Band gekommen bist und ich bin der Meinung ihr habt dabei auch in Milwaukee auf dem Metalfest gespielt. Wie lief das denn alles, es war ja schließlich die erste wirkliche Tour...

Die Tour war toll, wir haben zusammen mit EXHUMED, SOILENT GREEN, MORGION und TODAY IS THE DAY gespielt. Der Gig auf dem Milwaukee Metalfest war völlig abgefahren, denn es war der allererste für uns zusammen und für die Band seit langem. Normalerweise spielt man dann ja in kleinen Clubs, aber wir haben auf einem riesigen Festival auf einem anderen Kontinent gespielt. Es war eine unglaubliche Erfahrung für uns und es war anders. In Europa gehört zu einem Festival ja immer diese Camping-Sache, die ist in Amerika aber nicht angesagt. Man hat einfach dieses gigantische Gebäude, wo die Bands in verschiedenen Hallen spielen. Die Fans campen da nicht, sondern schlafen in Hotels, bei Freunden oder in ihrem Wagen... ich habe keine Ahnung, wo die ganzen Fans sich da nachts rumtreiben.

Auf dem Milwaukee Metalfest spielen ja hauptsächlich Metal-Bands, während ihr ja eher in die Grindcore/Hardcore-Ecke tendiert. Wo seht ihr euch denn selbst und wie ist das Feedback der verschiedenen Fans auf euch live gewesen?

Ich weiß auch nicht genau, wo ich NASUM einordnen soll ... wir hören alle Metal, Hardcore, Punk. Wir mögen alle Underground-Musik. Grindcore kommt ja eigentlich aus dem Punk und Crust und ist durch Metaleinflüsse erst der Grindcore, den man heute kennt. Am Anfang war NAPALM DEATH ein großer NASUM-Einfluss aber es hat sich zu dem entwickelt, was es heute ist. Ich will das auch nicht limitieren auf eine Szene ... wir bewegen uns in all diesen Szenen, werden von ihnen beeinflusst und werden dort auch akzeptiert. Ich finde auch, dass Undergroundmusik offen sein muß, um nicht auf der Stelle zu treten. In Schweden ist der Hardcore-Underground sehr stark und da ist im Moment eine starke Crust/Grind-Bewegeung, weshalb wir hier viele Fans aus der Hardcore-Szene haben, aber es sind auch sehr viele Death-Metal Fans dazugekommen.

Viele Leute haben euren Auftritt beim Fuck the commerce als Highlight herausgehoben, wozu ich nichts sagen kann, da ich leider nicht da war (Gruß an Christian an dieser Stelle, hehe!). Trotzdem zeigt das ja, dass ihr auch deutlich in der Metalszene Fuß gefasst habt.

Der Auftritt war ein Desaster und ich würde ihn wirklich nicht als Highlight hinstellen, da wir so viel Ärger mit dem Equipment hatten, so ziemlich alles ist schief gegangen weshalb wir wirklich schlecht drauf waren. Vielleicht war es aber auch genau das, was die Stimmung ausgemacht hat, das Feedback war wirklich mit das beste, was ich bisher erlebt habe. Abgesehen von den Problemen war es also mit Sicherheit ein toller Auftritt. Leider haben wir nicht viel mehr mitbekommen, da wir kurz vor unserem Auftritt ankamen und dann direkt nach Hause mussten, weil wir dort noch einen Auftritt hatten und Mieszkos Studio gebucht war. Insofern haben wir von Deutschland hauptsächlich die Autobahn gesehen.

Naja, aber das ist ja schließlich auch etwas, wofür Deutschland bekannt ist und ein paar Bier werden sie ja auch noch hinter die Binde bekommen haben. Aber zurück zu "Human 2.0" ... wie angesprochen ist die Scheibe ja auffallend variabler geworden und vor allem die Songs sind länger geworden, weshalb man mit 25 Songs deutlich weniger abliefert als sonst. War das eure Absicht, weil die 1-minütigen Blastbeat-Sachen langweilig werden?

Als Grindcore-Band können Blastbeats nicht langweilig werden, weil sie einfach mit der wichtigste Bestandteil der Musik sind. Trotzdem ist es als Band normal, dass man sich weiterentwickeln will, sonst tritt man auf der Stelle und es wird langweilig. Insofern denke ich, dass es eine normale Entwicklung für die Band war, wir wollten einfach auch ein bischen mit anderen Stilen experimentieren und da wird es in 30-Sekunden Songs eher eng für Experimente.

Wie war denn da das Feedback von den Fans bisher. Ich kann mir vorstellen, dass einige alte Fans denken ihr wimpt aus. Ein Song wie "Shadows" könnte ja glatt schon als Love-Song für NASUM-Verhältnisse durchgehen sowohl musikalisch wie auch vom Text her ...

Klar, einige Leute sind da immer ignorant und wollen immer noch das gleiche Gebretter wie vorher hören. Alles in allem ist es aber deutlich positiver als beim letzten Album, es ist fast schon zu gut. Das liegt bestimmt auch daran, dass die Songs etwas eingängiger geworden sind aber auch am Sound, der wesentlich mehr nach Metal klingt als auf dem letzten Album, vor allem von den Gitarren. Vielleicht kommt das Album deshalb auch bei vielen Metal-Fans so gut an, auch wenn wir musikalisch eigentlich nicht viel mehr in diese Richtung gegangen sind. Es ist ja auch trotz allem mehr Underground als vorher, denn wir haben das Album in Mieszkos Studio aufgenommen, es war also alles eine reine Band-Sache.

Wie lange macht Mieszko denn die Studio-Sache schon? Er hat ja jetzt gerade auch das neue EXHUMED-Album produziert.

Er hat keine Ausbildung oder so gemacht, sondern sich alles nebenbei selbst beigebracht. Das Studio gehört Mieszko und Mathias von MILLENCOLIN. Sie haben das Studio damals mehr oder weniger von Dan Swanö abgekauft und esläuft wirklich gut und ist im Moment ständig ausgebucht. Früher haben meistens schwedische Hardcore-Bands dort aufgenommen aber im Moment werden es immer mehr Metal-Bands wie z.B. COERCION etc.

Wo du Dan Swanö schon erwähnst ... sein Studio ist ja schon länger zu aber offenbar macht er ja noch was, denn auch "Human 2.0" ist in seinen heiligen Wänden abgemischt worden, oder?

Er hat zwar kein Studio mehr und arbeitet jetzt in einem Musikgeschäft, aber er hat sein Privatstudio bei sich zu Hause im Keller und macht dort ab und zu noch was. Wir kennen ihn auch schon länger, weshalb er uns geholfen hat. Musikalisch macht er ja jetzt eher dieses symphonische, progressive Zeugs, was ich überhaupt nicht ausstehen kann aber aus Spaß nimmt er immer mal wieder irgendwelche Death-Metal Sachen auf, er mag diese Musik also schon noch.

Aber lassen wir das Thema Dan Swanö damit mal ruhen, denn immerhin ist das eine der wenigen Ausgaben der Lärmbelästigung in denen der gute Mann mal nicht mit von der Partie ist, also weiter im Text mit "Human 2.0". Das Cover ist ja reichlich ungewöhnlich für eine Grindband, denn erstens ist es Weiß und hebt sich allein damit schon von 95% aller schwarzen Death/Grind-Scheiben im CD-Regal ab und außerdem ist das Motiv auch sehr eigenwillig. Was hat es denn damit auf sich?

Du hast recht, der Großteil der Metal und Grind-Scheiben ist immer dunkel gehalten, komischerweise bist du aber der erste, der sich über die helle Farbe wundert, diese Frage kam bisher noch nicht. Die Idee für das Cover kam von uns allen, hat aber für jeden von uns eine andere Bedeutung. Jeder macht sich da sein eigenes Bild, aber der Titel und das Cover gehören auf jeden Fall zusammen.
Wir wollten mit dem allen ausdrücken, dass es jetzt so etwas wie eine neue Menschheit gibt. Wir entwickeln uns so schnell und Maschinen und Computer haben einen immer größeren Einfluss auf uns ... deshalb haben wir auch das "2.0" angehängt, das als Versionsnummer aus der Computerwelt bekannt ist. Computer sind immer mehr ein Teil von uns, deshalb ist auch der Körper auf dem Cover so verkabelt. Es ist nicht so, dass wir sagen wollen dass das alles schlecht ist, es ist einfach nur ein Fakt dass die Dinge sich so entwickeln, was wir graphisch darstellen wollten.

Eine wichtige und an Bedeutung gewinnende Neuerung ist ja auch zunehmend das Internet und auch NASUM sind mit einer Website vertreten, die optisch den Eindruck vermittelt, als würde sie ernsthaft gepflegt und nicht mal so eben ins Netz gestellt worden. Wie ist denn deine Einstellung zum Internet und allem was dazugehört?

Alles hat zwei Seiten und so ist es auch beim Internet und modernen Kommunikationsmitteln. Das positive ist sicher, dass Kommunikation und der Zugang zu Informationen viel einfacher geworden ist, dass es keine Grenzen mehr gibt mit wem man wo kommunizieren möchte. Das negative ist aber, dass viel Menschlichkeit verloren geht. Die Menschen sitzen allein vor ihrem Bildschirm und verlernen in der Realität miteinander umzugehen. In diesen ganzen Chats gibt es keine wirklichen menschlichen Gesten und Gesichtsausdrücke wie in einem normalen Gespräch. Es gibt nichts individuelles mehr wie die Handschrift in einem Brief, man hat nur kalte Buchstabenfolgen. Wir bräuchten bald nicht mehr vor die Tür gehen, könnten Einkaufen, Rechnungen bezahlen, kommunizieren und alles vor einem Computer ... aber wir sind soziale Wesen und das geht durch die modernen Medien verloren und wird sich über kurz oder lang rächen.

Ich glaube zwar auch, dass die ganze schöne neue Welt bald in sich zusammenbrechen muß, wenn es weiter so schnell vorangeht, aber das liegt ja alles nur daran, wie Medien genutzt werden. Ich meine, wir haben alle Möglichkeiten mit Menschen auf der ganzen Welt zu sprechen, Menschen mit ähnlichen Interessen zu finden, Informationen über fast alles zu bekommen ... und doch ist das Internet zunehmend ein Spiegelbild der realen Welt. Oberflächliche, leicht verdauliche Kost, auf ein Minimum an Worten komprimierte E-mails und Chats. Quantität statt Qualität, Oberflächlichkeit statt Tiefe... aber es liegt am Ende in unseren Händen.

Ich benutze das Internet auch immer mehr, es ist so einfach mit Menschen auf der ganzen Welt zu kommunizieren, aber man muß ein gesundes Verhältnis zwischen virtuellem und realem Leben finden. Ich habe gerade einen Artikel über eine Frau gelesen, die süchtig war zu chatten und zum Psychiater gehen musste, weil es ihr ganzes Leben durcheinandergebracht hat. Es wird wirklich immer oberflächlicher, aber wie gesagt gibt es überall gutes und schlechtes.

Für Underground-Bands öffnet das Internet aber perfekte Möglichkeiten, was man ja auch daran sieht, dass inzwischen fast jede Band eine eigene Website im Netz hat...

Man hat zwar Möglichkeiten, aber man muß die Leute erst mal dazu bringen, auf deine Seite zu gehen. Inzwischen gibt es eben auch im Internet viel zu viele Seiten, die sich nicht jeder ansehen kann und somit muß man auch erst mal das Interesse wecken.. Wir versuchen unsere Seite interessant zu machen, was vielleicht für uns einfacher ist, weil Anders auch beruflich als Webdesigner arbeitet und auch Mieszko beschäftigt sich in seiner Freizeit viel mit Computern, während ich da am wenigsten mit am Hut habe. Deshalb muß ich auch noch mal betonen, dass das alles meine Meinung ist und Anders und Mieszko völlig andere Dinge dazu sagen würden.

Das soll dann auch zum Thema Internet reichen ... jetzt wo die "New Economy" eingebrochen ist und viele sich schon fast angewidert davon abwenden ist es ja auch nicht mehr die Zeit darauf rumzutrampeln. Daher zurück zur Musik und speziell zu eurer Diskographie ... ich habe eure komplette Diskographie von Relapse bekommen und da kommen ja einige Veröffentlichungen zusammen, vor allem diverse 7"-Singles. Seid ihr typische Vinyl-Freaks oder ist das einfach mehr so eine Crust/Grind Sache?

Ich muß sagen, dass ich mich eigentlich nie als Teil der Crust/Grind-Szene direkt gesehen habe, auch wenn ich die Musik gern höre. Was diesen ewigen Krieg Vinyl/CD angeht, so finde ich ihn einfach nur lächerlich. Ich bin kein Vinyl-Freak und habe nichtmal einen Plattenspieler obwohl ich noch etliche Platten zu Hause rumstehen habe. Meistens fragen Labels oder Fans, ob wir nicht eine 7" machen wollen und es ist eben auch irgendwie kultig etwas auf Vinyl zu veröffentlichen. Das war es aber auch schon ... Vinyl ist schneller beschädigt und umständlicher zu handhaben als eine CD. Es ist veraltet und wenn ich heute Musik hören will, dann möchte ich das schnell und unproblematisch tun und ein CD-Player ist einfach komfortabler. Die Leute sollen hören was sie wollen, aber dieser Vinyl-Krieg ist irreal. Vinyl hat keinen besseren Sound als eine CD, vielleicht einen eigenen Sound, aber keinen besseren.

Hier tun sich ja Abgründe auf ... ausgerechnet eine Band wie NASUM äußert sich kritisch zu Vinyl-Veröffentlichungen? Im Endeffekt ist das alles wohl nur so eine Kult-Sache, die von einigen halt völlig überzogen wird ...

Ich frage mich manchmal, ob das alles eine Art Revolution gegen die Plattenindustrie ist, wo die CD als Symbol für die Kommerzialisierung herhalten muß. Das ist doch bescheuert. Ich sehe keine logischen Argumente für Vinyl außer dass es eben vielleicht kultiger ist.

Naja, der Kult und natürlich dass die Cover auf einer CD nicht mehr so zur Geltung kommen wie auf einer LP. Detailverliebte Seagrave-Bilder kann man auf CD ja wirklich eher vergessen. Außerdem ist Vinyl absolut nichts für Grobmotoriker wie mich, denn ich habe bisher jede Platte zerkratzt bekommen.
Jetzt habe ich über das ganze Internet- und Vinyl-Thema ganz vergessen, auf die Texte im Allgemeinen einzugehen. Ich erinnere mich an ein Interview, wo Mieszko meinte, dass die Texte für "Inhale/Exhale" mehr oder weniger kurz vor den Aufnahmen auf dem Klo entstanden sind. Auf "Human 2.0" sind die Texte deutlich länger und größtenteils auch nicht mehr nur aus einzelnen Phrasen zusammengesetzt. Es klingt so als wolltet ihr weg von diesen "politischen" Sprüchen, an die man ja auch immer schnell denkt, wenn es um Crust und Grind geht.

NASUM ist keine politische Band, auch wenn das mitunter von den Texten vielleicht so erscheint. Wir haben keine einheitliche politische Meinung und wollen auch keine bestimmte Message rüberbringen. Die Texte sollen einfach nur widerspiegeln, was wir an Vorgängen in der Welt sehen, Themen die eigentlich jeden angehen und die jeden Tag passieren und einfach falsch laufen. Das ist ja nicht wirklich politisch. Grindcore war eigentlich immer schon Musik, die gesellschaftliche Themen reflektiert, so wie alte NAPALM DEATH eben. Ich mag auch das ganze Gore/Splatter/Porno-Zeugs im Grindbereich, aber Bands wie NAPALM DEATH haben uns von der Einstellung deutlich mehr geprägt.
Was Mieszko wohl meinte als er sagte, dass die Texte auf dem Klo entstanden sind, ist wohl dass die Texte einfach so auf die Musik gepackt wurden. Da waren keine tiefen Gedanken dahinter, es sollte einfach gut klingen. Trotzdem kamen nach "Inhale/Exhale" viele Fans und fragten nach den Texten oder nahmen sie wirklich ernst und da fiel ihm auf, dass er nicht hinter etwas stehen kann, was einfach so ohne große Gedanken geschrieben wurde. Jetzt haben die Texte einen Grundgedanken und Themen und auch etwas wie eine Message.

Ihr habt ja auch immer ein oder zwei Songs auf den CDs, die in Schwedisch geschrieben sind. Sind das Sachen, die außerhalb Schweden keiner verstehen soll, so was wie "Wir sind Schweden mit großen Schwänzen und kommen um eure Frauen zu schwängern" ??

Die schwedischen Texte unterscheiden sich überhaupt nicht von den anderen. Es sind die gleichen Themen. In Schweden ist es nur fast schon eine Tradition, einen Song in unserer Sprache aufzunehmen, das tun viele andere Schwedische Grind/Crust/Punk-Bands auch und daher kommt das dann auch bei uns.

Da bin ich ja beruhigt und wir können mit diesem Interview dann auch direkt langsam zum Ende kommen. Bleibt zum Schluß nur noch zu fragen, was demnächst so bei NASUM geplant ist, wahrscheinlich ein paar 7"-Veröffentlichungen. Gibt es eigentlich noch Bands, mit denen ihr Split-Singles machen wollt?

Wir werden demnächst zwei neue Split-7" Singles rausbringen. Eine mit SKITSYSTEM und die andere mit einer anderen Grindband. Natürlich gibt es einige Bands, mit denen wir gerne was auf einer Split CD veröffentlichen würden ... NAPALM DEATH, NEUROSIS, REPULSION ? all solche Bands. Da würden sich immer welche finden.

Es wird also in Zukunft nicht an Bands mangeln um Split 7"-Singles zu füllen und ich für meinen Teil freue mich auf jeden Fall schon auf neues von NASUM. "Human 2.0" ist jedenfalls ein verdammt frisches Album, das einfach Spaß macht und tierisch Power hat. Und weil ich jede Woche selbstgebackene Kekse und Kaffee im Relapse-Office vorbeibringe (eine sehr subtile Form des Arschkriechens, wie ich finde!), haben wir sogar den Song "Corrosion" auf unserer CD-Beilage um den letzten Ignoranten zu bekehren. Als allerletztes muß ich mal vom Standard abweichend Jesper für dieses wirklich nette Gespräch danken und nun ist endlich der Zeitpunkt gekommen, wo ich endgültig die Schnautze halte ... gute Nacht!